Seit 2014 veranstaltet der Verein für jüdische Kultur und Wissenschaft alljährlich am ersten Sonntag im März den „Tag des jüdischen Buches“. Zunächst im Musiksaal des Stadthauses Zürich (2014), dann im Theater Stadelhofen (2015) fand die Veranstaltung von 2016 bis 2019 traditionell von 11 Uhr bis 22 Uhr in der Helferei, Zürich statt. Im Jahr 2021 wurde die Veranstaltung im ComedyHaus / Théâtre a.part aufgezeichnet und online ausgestrahlt. Ab 2022 konnte der Tag des jüdischen Buches wieder wie gewohnt analog stattfinden – seit 2023 in Kooperation mit der ICZ-Bibliothek im Gebäude der ICZ, Lavaterstraße 33, 8002 Zürich.

Während sich das Programm am Vor- und Nachmittag aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Vorträgen, Gesprächen oder Lesungen zusammensetzt, besteht das Abendprogramm meist aus einem themenbezogenen Konzert, Film oder Theaterstück.

Hier können Sie die Programme der vergangenen Jahre einsehen.


Tag des jüdischen Buches 2024

am 3. März 2024

Eine Veranstaltung des VJKW in Kooperation mit der ICZ Bibliothek

«Geschichte(n) schreiben»

In diesem Jahr feiert der Tag des jüdischen Buches sein zehnjähriges Bestehen. Wir wollen diesen Anlass nutzen und die Veranstaltung dem „Geschichte(n) schreiben“ widmen. Wie werden Geschichten erzählt, und aus welcher Perspektive kann Geschichte neu erzählt werden? Wie wäre Zeugenschaft neu zu denken? Was macht die Geschichte mit den Erzählenden? Und was mit den Lesenden oder Zuhörenden?

Der „Tag des Der Tag des jüdischen Buches 2024 spürt nach, wie sich Geschichten nicht nur aus Erinnerungen, sondern aus gesammelten Dokumentationen eines Lebensalltags unter unvorstellbaren Umständen zusammensetzen lassen; wie sich ein Leben aus und auf Geschichten, auf Lügen und Wahrheiten aufbaut und das Leben  auf essenzielle Weise formen und bestimmen; wie das Sprechen und Erzählen selbst zu erinnerten Geschichten in grafischer Form werden können; und wie viele Geschichten ein Thema erst in seiner Gesamtheit verständlich und nahbar machen können.



Das Programm

Ort: ICZ Bibliothek, Lavaterstrasse 33, 8002 Zürich
Alle Lesungen und Vorträge finden bei freiem Eintritt statt. Sie sind gebeten, sich beim Betreten des ICZ-Gebäudes auszuweisen.

Wir bitten Sie um Anmeldung unter: anmeldung@vjkw.ch


11:00 Uhr: «Wichtiger als unser Leben»

Vortrag und Gespräch mit Dr. Ulla Britta Vollhardt (München)

Vor dem Zweiten Weltkrieg war Polen die Heimat von 3,3 Millionen Jüdinnen und Juden. Warschau war das kulturelle, religiöse und politische Zentrum dieser diversen Gemeinschaft. Im Zuge des deutschen Angriffskrieges gegen Polen zwangen die Nazis die jüdische Bevölkerung in einen abgeriegelten Teil der Stadt. Der Historiker Emanuel Ringelblum regte daraufhin ein beispielloses Projekt an: eine im Geheimen arbeitende Gruppe, die unter dem Decknamen Oleg Schabbat (dt. Freude des Schabbat) den Alltag des Ghettos dokumentierte. Das Untergrundarchiv des Warschauer Ghettos war der erste Versuch, die Schoa systematisch und aus der Sicht der betroffenen zu dokumentieren, noch während sie geschah. Es war ein beispielsloser Akt des Widerstands und der Selbstbestimmung – vom Wunsch getrieben, die Hoheit über die eigenen Geschichte zu bewahren.

Der Vortrag gibt anhand der im NS-Dokumentationszentrum München gezeigten Ausstellung Wichtiger als unser Leben einen Einblick in das Archiv und seine Vermittlung an eine breite Öffentlichkeit.

Dr. Ulla-Britta Vollhardt (NS-Dokumentationszentrum München) ist Mitkuratorin der Ausstellung Wichtiger als unser Leben zum Untergrundarchiv des Warschauer Ghettos, die das NS-Dokumentationszentrum München in Kooperation mit dem Jüdischen Historischen Institut Warschau im Juni 2023 eröffnet hat.


14:00 Uhr: «Tahara» 

Lesung und Gespräch mit Emanuel Bergmann (Oberursel)

Als Marcel Klein, der berühmte Filmkritiker, in Cannes am ersten Festivalmorgen einen Espresso trinkt, lernt er die verführerische Französin Héloïse kennen. Die beiden sind von der ersten Sekunde an ebenso fasziniert wie irritiert voneinander. Jedes Mal, wenn sie sich zwischen Presseevents, Partys und Premieren begegnen, streiten sie sich leidenschaftlich. Als Marcels Geheimnisse ihn einzuholen drohen, verlassen die beiden Hals über Kopf die Stadt. Denn auch Héloïse hat ein abgrundtiefes Geheimnis. Ein berührender und temporeicher Roman über die Lügen und die Liebe – eine Hommage an das Kino und das Filmgeschäft, und eine Liebesgeschichte am Abgrund der Vergänglichkeit. (diogenes)

Emanuel Bergmann studierte Film und Journalismus. Er war viele Jahre lang für verschiedene Filmstudios, Produktionsfirmen und Medien in den USA und Deutschland tätig und ist der Autor des Romans Der Trick, der in 17 Sprachen übersetzt wurde.


16:00 Uhr : «Emmie Arbel. Die Farbe der Erinnerung»

Präsentation, Lesung und Gespräch mit Barbara Yelin

Geboren 1937 in Den Haag, wird Emmie Arbel zusammen mit ihren beiden Brüdern, Eltern und Grosseltern 1942 von den Nazis deportiert. Sie und ihre beiden Brüder überleben die Konzentrationslager Ravensbrück und Bergen-Belsen. Ihre Eltern und Grosseltern sind im Holocaust ermordet worden. Nach dem Krieg lebt sie bei einer Pflegefamilie in den Niederlanden, diese wandert 1949 mit allen Pflege-Kindern, darunter Emmie und ihre Brüder, nach Israel aus. 

Die Zeichnerin und Autorin Barbara Yelin erzählt in dieser Graphic Novel, die im September 2023 im Reprodukt Verlag erschienen ist, die Geschichte von Emmie Arbel. Auf Basis persönlicher und zahlreicher intensiver Gespräche mit Emmie Arbel schafft sie eindringliche Erinnerungsliteratur, die zugleich eine Reflexion über das Erinnern selbst ist. 

Barbara Yelin, geboren 1977 in München, ist eine mehrfach ausgezeichnete Comic-Künstlerin, deren Werke zunächst vor allem auf dem französischen Comic-Markt erschienen, heute in viele Sprachen übersetzt werden. Letzthin widmete sie sich in ihrer Arbeit immer wieder Themen im Kontext von Erinnerung und Storytelling.


18:00 Uhr: «Fluchten»

Lesung und Gespräch mit Alexander Estis (Aarau)

Niemand, der nicht schon einmal die Flucht ergreifen wollte – ob vor dem Krieg, vor einer Umweltkatastrophe oder vor einer Hungersnot, ob aus einer langweiligen Gesellschaft, einem sklavischen Arbeitsverhältnis oder einer belastenden Beziehung. Die Fluchten erzählen von gewollten oder ungewollten, realistischen oder absurden, erfolgreichen oder missglückten Fluchtversuchen. (edition mosaik)

Alexander Estis wurde 1986 in einer jüdischen Künstlerfamilie in Moskau geboren. 1996 siedelte er mit seinen Eltern nach Hamburg über. Seit 2016 lebt er als freier Autor in Aarau. 2022 erschien als sein sechstes Buch der Prosaband Fluchten. Seine Texte werden in Anthologien und Zeitschriften (u.a. Sinn und FormLichtungenEntwürfe) publiziert. Daneben verfasst er Essays, Glossen und Kolumnen für FAZNZZSZZEI


Die Veranstaltung wird großzügig unterstützt von:

Madeleine und Albert Erlanger-Wyler-Stiftung
Jakob und Werner Wyler-Stiftung