Eine Auswahl an Pressebeiträgen aus den Anfangsjahren des Vereins für jüdische Kultur und Wissenschaft zeigt die ersten Schritte, von der kollektiven Idee, die ICZ Bibliothek vor ihrer Auflösung zu retten, über die Gründung des Vereins bis hin zu einem klaren Vereinsprogramm mit ersten Veranstaltungen und der regelmässigen, finanziellen Unterstützung der ICZ Bibliothek.


2015

Schweizer Radio SRF, 15. Januar 2015

Charles Lewinsky im Interview über die Rettung der ICZ Bibliothek
http://m.srf.ch/news/regional/zuerich-schaffhausen/juedische-bibliothek-in-zuerich-bleibt-integral-erhalten


2014

Tagesanzeiger (Zürich) vom  23. Dezember 2014

Die jüdische Bibliothek ist gerettet
Nach einer Sammelaktion kann die wissenschaftliche Bibliothek der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich weiterbetrieben werden.

von Claudia Kühner

Im letzten Frühling wurde bekannt, dass die Israelitische Cultusgemeinde Zürich (ICZ) daran denke, den wissenschaftlichen Teil ihrer Bibliothek aufzugeben. Dies, um Kosten zu sparen. Und das, obwohl die bedeutende Bibliothek vom Bund als nationales Kulturgut eingestuft wurde. Hintergrund des geplanten Abbaus war der teure Umbau des Gemeindezentrums an der Lavaterstrasse. Kaum war diese Absicht öffentlich, wurde in Zürich der Verein für Jüdische Kultur und Wissenschaft (VJKW) gegründet, um das Kulturgut zu retten. Das ist ihm jetzt für die nächsten drei Jahre gelungen: Unter dem Präsidenten Charles Lewinsky und den weiteren Vorstandsmitgliedern (Andreas Kilcher, Michael Guggenheimer, Alfred Bodenheimer, Monica Rom, Maximilian Teicher) hat der Verein das nötige Geld gesammelt – unter in- und ausländischen jüdischen und nicht jüdischen Stiftungen sowie unter Privatpersonen auch über den Kreis der ICZ-Mitglieder hinaus. Damit bleiben die rund 40 000 Bände bis auf weiteres an der Lavaterstrasse. Die Bibliothek steht jedermann offen und wird zum Beispiel auch häufig von Studenten und Wissenschaftlern genutzt.

Mithilfe der öffentlichen Hand

Nicht nur ist die Bibliothek vorläufig gesichert. Sie soll auch an das internationale Online-Bibliothekenportal Nebis angeschlossen werden. Die Generalversammlung der ICZ hat diesem grossen Projekt kürzlich zugestimmt, das den Wert der Sammlung zusätzlich erhöhen wird. Jetzt will sich der Verein gemäss Charles Lewinsky auch um Hilfe durch die öffentliche Hand bemühen. Und es ist damit zu rechnen, dass auch im Kantonsrat entsprechende Bemühungen lanciert werden. Gedacht wird etwa an Mittel für die Restaurierung kostbarer Bände. Nachdem der Verein sein primäres Ziel mit dem Erhalt der Bibliothek erreicht hat, setzt er sich weitere Aufgaben im Bereich jüdischer Kultur und Wissenschaft – etwa mit dem Aufbau eines Zürcher Zentrums für jüdische Kultur. Das würde aber eigene Räume voraussetzen und wäre als Projekt noch um einiges grösser. Dieser Tage ist zudem ein Sammelband zum 75-jährigen Bestehen der ICZ-Bibliothek erschienen, herausgegeben von den beiden Bibliothekarinnen Yvonne Domhardt und Kerstin A. Paul («Quelle lebender Bücher», Edition Clandestin). 75 regelmässige Nutzer der Bibliothek, unter ihnen Vereinsmitglieder, schreiben darin über ihr Lieblingsbuch aus den Beständen.

Auch wird der Verein am 8. März 2015 wiederum einen «Tag des jüdischen Buchs» veranstalten, mit zwei wissenschaftlichen Vorträgen und zwei literarischen Lesungen (mit Alfred Bodenheimer und Barbara Honigmann).


tachles, das jüdische Wochenmagazin der Schweiz, 5. Dezember 2014

Die Bibliothek bleibt im Haus
Wichtige Weichenstellung an der Generalversammlung der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich

von Gisela Blau

Für mindestens drei Jahre ist die Finanzierung des wissenschaftlichen Teils der Bibliothek der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich (ICZ) gesichert und wird nicht verschenkt. Dies wurde an der Generalversammlung der ICZ am 1. Dezember 2014 bekanntgegeben. Dem Verein für Jüdische Kultur und Wissenschaft (VJKW) und dessen Präsidenten Charles Lewinsky ist es gelungen, für dieses Herzstück der Gemeinde eine Viertelmillion Franken zugesagt zu erhalten, von verschiedenen Stiftungen, zum Beispiel von der Rothschild Foundation in London, für deren Zusage Lewinsky ein Gesuch von 35 Seiten ausfüllen musste. Die Eingliederung der ICZ-Bibliothek ins internationale Online-Bibliothekssystem NEBIS ist gesichert, ebenso ein Zuschuss von dreimal 50 000 Franken pro Jahr. Nur der belletristische Teil der Bibliothek wird weiterhin durch die Gemeinde finanziert. Die Sponsoren machten ihre Beiträge von der Zustimmung durch die GV abhängig. Edgar Abraham, der im Auftrag des Vorstandes Verhandldungen mit der Zentralbibliothek Zürich geführt hatte, focht mit dem Zweihänder ein Rückzugsgefecht, sekundiert von einigen negativen Voten, doch sein Rückweisungsantrag wurde abgeschmettert und der Antrag des Vorstandes angenommen, die Finanzspritze des VJKW zu akzeptieren. Gefeiert werde am 14. Dezember an der Vernissage des Jubiläumsbuchs der 75-jährigen Bibliothek, hatte Lewinsky gehofft. Nun ist sein Wunsch in Erfüllung gegangen. „Das Ergebnis der Abstimmung war erfreulich“, sagte der Autor zu tachles. „Wir haben einen guten Anfang gemacht, aber die Arbeit wird unserem Verein nicht ausgehen. Die Existenz der Bibliothek muss auf Dauer gesichert werden. Wir bleiben dran!“


St. Galler Taglatt, 24. Januar 2014

Fest für ein gefährdetes Kulturgut
von Valeria Heintgens

Die öffentliche Bibliothek der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich ist ein «Kulturgut von nationaler Bedeutung». Trotzdem droht ihr die Zerschlagung. Engagierte versuchen, sie zu retten, und veranstalten dafür den «Tag des Jüdischen Buches».

Wer die Geschichte der Bibliothek der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich (ICZ) kennt, versteht ihre Bedeutung sofort: Sie wurde 1939 gegründet, zu einer Zeit also, als die Nationalsozialisten im übrigen Europa jüdische Bibliotheken von Privaten, Gemeinden und Hochschulen auflösten und die Bücher vernichteten.
Werke aus dem 16. Jahrhundert
1939 übernahm die ICZ eine Bibliothek, deren Wurzeln bis 1902 reichten. Dazu kamen bald Bücher geflohener Juden und Ende der 40er-Jahre 4000 Werke des Jüdisch-Theologischen Seminars in Breslau, von denen einige aus dem 16. Jahrhundert stammen.
Mittlerweile 50 000 Medien gehören der für jeden öffentlich zugänglichen ICZ-Bibliothek, in deutscher, hebräischer, jiddischer und englischer Sprache. Der Grossteil, rund 40 000 Werke, sind wissenschaftlicher Natur, also Werke zu Judaistik und Rabbinistik, Kommentare zu Talmud und Bibel, aber auch Werke zum Konflikt in Nahost, Philosophie, Kunst- und Musikgeschichte. Rund 10 000 Werke sind belletristischer Art, von jüdischen Autoren oder zu jüdischen Themen, darunter Kinder- und Jugendbücher und auch DVDs und CDs.
«Gerade diese Vielfalt macht die Bibliothek aus», sagt Bibliothekarin Kerstin Paul. Die Medienfülle und -breite beeindruckte auch im Bundesamt für Bevölkerungsschutz, das die Bibliothek in die Liste eines «Kulturguts von nationaler Bedeutung» aufnahm, weil sie im deutschsprachigen Raum wohl einzigartig ist.
Ungeachtet dessen wurden Pläne publik, diese Vielfalt zu zerstören, denn die ICZ muss sparen. Der wissenschaftliche Teil, so die Idee, sollte der Zentralbibliothek Zürich (ZB) einverleibt werden. Präsent wären die Werke dann wohl nicht mehr, sondern müssten bei Verlangen aus dem Lager geholt werden. Der belletristische Teil bliebe bei der ICZ, ein schwacher Trost für Bibliothekarin Paul: «Die Identität der Bibliothek wäre zerstört.»
Das findet auch der Verein für jüdische Kultur und Wissenschaft, der gegründet wurde, um die Eigenständigkeit der Bibliothek zu erhalten «als Kernstück für die Einrichtung eines überregional wirksamen Zentrums für jüdische Geistesgeschichte» in Zürich. Vereinsvorsitzender ist der Schriftsteller Charles Lewinsky, der mit einem Jahresbudget von Fr. 100 000 rechnet und dafür Sponsoren sucht. Dafür hat er den «Tag des Jüdischen Buches» organisiert, der mit Vorträgen, Lesungen und einem Autorengespräch den 75. Geburtstag der Bibliothek feiern und auf ihre Probleme aufmerksam machen soll.
Alles löst sich in Luft auf?
Wenn der Verein Erfolg hat und das Geld auftreiben kann, «dürften sich die ursprünglichen Pläne langsam in Luft auflösen», sagte gestern ICZ-Generalsekretär Frédéric Weil.


Aargauer Zeitung / AZ, 20. Januar 2014

Eine gespaltene Gemeinde
Ungewisse Zukunft · Bibliothek der Israelitischen Cultusgemeinde wird 75
von Adrian Portmann

Ein leiser Singsang erklingt aus dem Untergeschoss der Bibliothek im Gemeindehaus der Israelitischen Cultursgemeinde Zürich (ICZ) an der Lavaterstrasse. Ein Junge ist damit beschäftigt, einen hebräischen Tora-Abschnitt für seine Bar-Mitzwa-Feier auswendig zu lernen. Nach jüdischer Tradition wird er ihn am Tag seines 13. Geburtstages in der Synagoge vortragen und damit seine Religionsmündigkeit erlangen.
Die Bibliothek der grössten jüdischen Gemeinde in der Schweiz wurde 1939 gegründet und zählt heute pro Jahr rund 5000 Besucher. «Bei uns findet man Bücher und Filme von jüdischen Autoren sowie alles, was mit jüdischen Themen zu tun hat», sagt Bibliothekarin Kerstin Paul. Die Bibliothek der ICZ wurde vor fünf Jahren zum «Kulturgut von nationaler Bedeutung» ernannt und umfasst 50000 Bücher in jiddischer, hebräischer und deutscher Sprache.

Darunter befinden sich neben der Belletristik auch wertvolle wissenschaftliche Arbeiten. Diese sorgen seit vergangenem Frühjahr für Gesprächsstoff. Grund dafür: Die Gemeinde muss sparen. Uneinig ist man sich jedoch darüber, wo der Rotstift angesetzt werden soll.

Abraham, ehemaliges Mitglied des ICZ-Vorstandes sieht als Möglichkeit die Ausgliederung der wissenschaftlichen Schriften an die Zürcher Zentralbibliothek (ZB): «Dort wären die Bücher auf viele Jahre hinaus gut aufgehoben. Die Qualität der Betreuung wäre optimal und wegen der Finanzen müsste man sich keine Sorgen machen. Auch der Zugang für ein breites Publikum sowie für die Wissenschaft wäre gewährleistet.» Erste Verhandlungen mit der ZB seien vielversprechend verlaufen.

Gegner Charles Lewinsky

Prominenter Gegner dieses Vorhabens ist Schriftsteller Charles Lewinsky (siehe Interview). Er hat eigens einen Verein gegründet, mit dem Ziel, den wissenschaftlichen Teil am bisherigen Standort zu behalten. Darüber hinaus möchte er die Bibliothek zu einem «überregional wirksamen Zentrum für jüdische Geistesgeschichte in Zürich» ausbauen.

Der eigentliche Schatz des Hauses ist die sogenannte Breslauer Bibliothek. Sie umfasst 11000 Bücher, davon liegen 3400 im Archiv des ICZ. Es handelt sich um Schriften aus der ehemaligen Breslauer Seminarbibliothek, die das Nazi-Regime überdauert haben und nach dem Zweiten Weltkrieg in die Schweiz kamen. Verwaltet wird die Sammlung von der ICZ, Besitzer ist aber der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG). Dieser beobachtet die Diskussion um die Bibliothek deshalb mit Argusaugen, hält sich jedoch im Hintergrund.

Kein Thema beim Runden Tisch

Bislang sind die Sparpläne nur innerhalb der ICZ ein Thema. Beim Interreligiösen Runden Tisch des Kantons Zürich habe es keine Gespräche darüber gegeben, sagt Sekretär Philippe Dätwyler. Genauso beim «Zürcher Forum der Religionen». «Wir würden es aber begrüssen, wenn die Bibliothek in ihrer heutigen Form bestehen bliebe», sagt Virginia Suter Reich, Leiterin der Geschäftsstelle. Es sei ein Schmuckstück, das im Programm der öffentlichen Führungen zum «jüdischen Zürich» jeweils einen festen Bestandteil habe.

Neben einer Ausgliederung, wie sie Abraham vorschwebt und dem Vorhaben von Lewinsky bliebe die Option, bei einem anderen Posten zu sparen. Die Gemeindemitglieder werden voraussichtlich im Sommer darüber abstimmen, was mit der geschichtsträchtigen Bibliothek geschehen soll.

«Nicht das Tafelsilber verkaufen, um zu sparen»

Herr Lewinsky, Sie haben den «Verein für jüdische Kultur und Wissenschaft» gegründet und präsidieren diesen. Wofür setzen Sie sich ein?
Charles Lewinsky: Im Mai 2013 wurde bekannt, dass sich die ICZ nicht mehr in der Lage sieht, den Unterhalt ihrer umfangreichen und wertvollen Bibliothek zu finanzieren. Der Gemeindevorstand machte den Vorschlag, die Bestände an die Zentralbibliothek Zürich abzugeben. Mit einer Gruppe von Gleichgesinnten war ich der Meinung, dass man nicht sein Tafelsilber verschenken darf, um die Kosten für das Silberputzmittel zu sparen. Wir wollten uns dafür einsetzen, die unterdessen 75-jährige Bibliothek als selbstständige Einheit zu erhalten – was auch die Suche nach finanziellen Mitteln zu deren Unterhalt einschliesst. Die Vereinsform schien uns dafür am geeignetsten.
Unter anderem planen Sie am Standort der Bibliothek ein Studienzentrum. Was muss man sich darunter vorstellen?
Das ist ein langfristiger Plan, mit dem wir hoffen, das Interesse an den kostbaren Beständen der Bibliothek auch ausserhalb der jüdischen Kreise zu wecken und sie besser ins kulturelle Zürich zu integrieren.
Wie hoch ist der Betrag, welcher für den Weiterbetrieb der Bibliothek in ihrer heutigen Form benötigt wird?
Ganz exakt lässt sich das nicht beziffern. Aber ein Jahresbudget so gegen 100000 Franken wäre nützlich.
Wer kommt als Kapitalgeber infrage?
Wir hoffen auf Unterstützung von Stiftungen, kulturell interessierten Personen und auch von der öffentlichen Hand.
Wie laufen die Verhandlungen?
Erste Zusagen haben wir erhalten, es ist aber noch zu früh, um Zahlen zu nennen.
Was spricht dagegen, wenn der wissenschaftliche Teil der Bibliothek zum Beispiel in die Zentralbibliothek umziehen würde, wie es Edgar Abraham vorgeschlagen hat?
Die Bibliothek bildet eine historisch gewachsene Einheit und wurde deshalb auch als «Kulturgut von nationaler Bedeutung» eingestuft. Eine Übergabe an die ZB wäre nicht einfach ein «Umzug», sondern würde bedeuten, dass die Bücher zwar physisch weiter existieren, aber einzeln aus den Lagerkellern der ZB abgerufen werden müssen. Der gegenwärtige Zustand, wo die Werke gemeinsam greifbar sind, wirkt sich für die Benutzer – ob wissenschaftlich oder nicht – äusserst befruchtend aus. Aber ganz abgesehen von der praktischen Seite: Unserer Meinung nach gehört es zu den Verpflichtungen einer Gemeinde, das von ihren Vorfahren übernommene Erbe zu bewahren.
Wann ist mit einem definitiven Entscheid zur Zukunft der Bibliothek zu rechnen?
Die Gemeindeversammlung wird noch in diesem Jahr entscheiden, welches der beiden Konzepte weiterverfolgt werden soll
Charles Lewinsky ist Drehbuchautor und Schriftsteller. Zu seinen Werken zählt der Roman «Melnitz» und die TV-Serie «Fascht e Familie».


tacheles, 6. Dezember 2013

Gemeindeversammlung der ICZ
Neues in Sachen Bibliothek
von Gisela Blau

„Gespannt waren die Anwesenden auf die Mitteilungen des Erfolgsautors Charles Lewinsky über das Projekt seines neuen Vereins für Kultur und Wissenschaft, die ICZ-Bibliothek zu retten. Er wirkte zu- versichtlich und berichtete, eine Stiftung habe zugesagt, den Anschluss an den elektronischen Bibliotheken-Suchdienst NEBIS zu finanzieren, damit auch die 50 000 Titel  der ICZ-Bibliothek    gefunden werden. Zu Ehren des 75. Geburtstags der Bibliothek im nächsten Jahr organisiert der Verein am 26. Januar einen «Tag des jüdischen Buches» mit Lesungen, Vorträ- gen und Podiumsgesprächen im Stadt- haus Zürich sowie eine Ausstellung wert- voller Bände in der Museumsgesellschaft und im Foyer des ICZ-Gemeindezent- rums. Weil viele Stiftungen erst nächstes Jahr über Zuwendungen entscheiden können, wird Lewinsky an der Juli-GV 2014 nochmals Bericht erstatten.“


2013

tachles, 5. Juli 2013

Buch statt Buchhaltung
von Gisela Blau

An der Gemeindeversammlung der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich (ICZ) ging es bei mehreren Traktanden um Geld. Auch das Schicksal der ICZ-Bibliothek wird davon abhängen.

Ein Satz habe ihn schockiert: «Aber Herr Lewinsky, es geht doch nicht um die Bücher, sondern ums Geld!» wurde Charles Lewinsky während seiner ersten Besprechung mit der ICZ beschieden. Lewinsky sprach als Präsident des Vereins für jüdische Kultur und Wissenschaft an der Gemeindeversammlung (GV) vom vergangenen Montag über die Zukunft der ICZ-Bibliothek. Nicht zuletzt dieses Traktandum hatte immerhin etwa 175 stimmberechtigte Mitglieder ins ICZ-Gemeindezentrum geführt.

Edgar Abraham, Projektleiter für die Zukunft der ICZ-Bibliothek, wunderte sich, dass die Mitglieder zuerst nicht auf das Thema eines Verzichts auf einen Teil der ICZ-Bibliothek im Rahmen eines Vier-Punkte-Sparvorschlags reagiert hätten. Obwohl die Bibliothek kein «grosser Brocken» im Vergleich zu Sicherheit, Kindergarten und Sozialwesen sei, habe er im Auftrag des Vorstands Kontakt zur Zentralbibliothek Zürich (ZB) wegen einer Schenkung der ICZ-Wissenschaftsbibliothek aufgenommen; die Belletristik würde in der ICZ verbleiben. Mit der 74-jährigen Bibliothek leiste sich die ICZ heute einen Luxus, der wegen seiner Relevanz von der gesamten Schweizer Judenheit getragen werden müsste.

Vertragsentwurf liegt vor 

Die ZB verfüge bereits über einen grossen Bestand an Judaica, sagte Abraham. Diese bestehen allerdings, wie tachles berichtete, weitgehend aus dem Nachlass Heidenheim, der vor 100 Jahren von der ICZ mangels einer Bibliothek der ZB geschenkt worden war. Edgar Abraham betonte, der ZB werde wegen ihres staatlichen Auftrags das Geld nie aus-gehen. Die ICZ-Bücher würden als
«geschlossene Signatur», als separater Bestand geführt werden.

Abraham berichtete, es liege ein kurzer Vertragsentwurf vor. Entscheiden müsse eine ICZ-GV. Der Projektleiter sagte, es gebe vorderhand drei Optionen: die Beibehaltung der unveränderten ICZ-Bibliothek; eine Schenkung des wissenschaftlichen Teils an die ZB; eine Stiftung, wie sie die Lewinsky-Gruppe anstrebe.

Charles Lewinsky dankte für die Einladung und sagte, die älteste jüdische Bibliothek der Schweiz sei kein Luxus, sondern ein Kulturgut, ein Schatz, der an die nächsten Generationen weiterzugeben sei: «Wir sind das Volk des Buches und nicht der Buchhaltung», sagte der bekannte Autor unter Applaus. Man solle das Tafelsilber nicht veräussern, nur weil das Silberputzzeug zu teuer geworden sei. Die ZB könne zudem den ICZ-Bestand nur übernehmen, wenn der Bau eines «Bücherbunkers» als Lagerhaus der Bibliotheken bewilligt würde. Der Verein, der nach zwei Monaten bereits 50 zahlende Mitglieder aufweist, bitte nur um eines: um genügend Zeit: «Wir brauchen ein Jahr für Lösungen.» Diese bedingen auch die Suche nach Geldmitteln, einer Aufgabe, der sich Roman Rosenstein als Quästor des Vereins annehmen wird.


Ein wahrer Kulturschatz: Die Bibliothek der ICZ / Ein Gespräch im Radio SRF 1

Ein weiteres mediales Echo auf unseren Verein am Samstag, 25. Mai 2013 zur besten Vorabendzeit im Radio SRF 1 in der Sendung „Zwischenhalt“: Unser Vorstandsmitglied Prof. Alfred Bodenheimer gibt Auskunft über die so besondere Bedeutung der ICZ Bibliothek für den deutschsprachigen Raum, über das Neue am Projekt, das der Verein Jüdische Kultur und Wissenschaft verfolgt und über dessen mögliche Ausstrahlung über Zürich hinaus.


tacheles, 24. Mai 2013

Lösung für die Bibliothek?
von Gisela Blau

Der neu gegründete Verein für Jüdische Kultur und Wissenschaft möchte die Bibliothek der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich bewahren und auf ihrer Basis ein Studienzentrum aufbauen. An der Gemeindeversammlung vom 1. Juli gibt es Informationen.

Der Vorstand des Vereins für jüdische Kultur und Wissenschaft (VJKW), der am 1. Mai gegründet wurde, ist prominent besetzt: Der Autor Charles Lewinsky firmiert als Präsident, dazu gehören auch Alfred Bodenheimer, Ordinarius für Religionsgeschichte und Literatur des Judentums sowie Leiter des Zentrums für Jüdische Studien an der Universität Basel, Andreas Kilcher, Professor für Kultur- und Literaturwissenschaft an der ETH Zürich, der Initiant, Literaturpublizist Michael Guggenheimer, sowie Monica Rom und Maximilian Teicher.

Die Vereinsgründer wurden aufgerüttelt, als durch tachles die erst angedachte Absicht des Vorstands der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich (ICZ) publik wurde, sich aus finanziellen Gründen vom wissenschaftlichen Teil seiner berühmten, seit 1939 existierenden Bibliothek zu trennen. Der Umbau des Gemeindezentrums erwies sich als viel teurer denn erwartet, die superreichen^potenziellen Mitglieder blieben trotz einer versprochenen Steuer-Obergrenze fern, und die ICZ muss empfindlich sparen. Seither führt das ehemalige Vorstandsmitglied Edgar Abraham Gespräche mit der renommierten Zentralbibliothek (ZB) in Zürich.

«Unsere Verhandlungen haben gezeigt, dass die ZB prinzipiell bereit wäre, den wissenschaftlichen Teil unserer Bibliothek zu integrieren», erfuhr tachles von Edgar Abraham. «Sobald das zentrale Lager der wichtigsten Schweizer Bibliotheken in der Innerschweiz im Jahr 2016 eröffnet werden kann, gibt es in der ZB auch genügend Platz dafür als eigener Bestand.» Die Verhandlungen sind laut Abraham recht weit gediehen. Wichtige Einzelheiten, wie die Betreuung des Bestandes, müssten noch ausgehandelt werden. Das letzte Wort hätten ohnehin die Gemeindemitglieder. An der nächsten Gemeindeversammlung vom 1. Juli werden sowohl Edgar Abraham als Beauftragter des Vorstands wie auch Charles Lewinsky Gelegenheit bekommen, die Gemeinde zu informieren und ihre Projekte vorzustellen. Entschieden wird dann jedoch noch nichts. Sowohl Charles Lewinsky wie Alfred Bodenheimer betonen, dass sie sich in keinerlei Konkurrenzsituation zur ICZ sehen, sondern Gesprächspartner sein wollen. «Die Bibliothek und das von uns gewünschte Studienzentrum würden Möglichkeiten für Projekte, auch für eine weitere Öffentlichkeit, bieten, die es bis jetzt noch nicht gibt», sagt Bodenheimer.

Die Bibliothek der ICZ umfasst einige zehntausend teils einmalige Bände, Judaica, wissenschaftliche Werke, aber andererseits auch viele andere, die interessierten Gemeindemitgliedern dienen. Sie erhielt 2009 das Prädikat eines nationalen Kulturgutes und zieht, sehr professionell betreut, längst nicht nur jüdische Nutzer an. Auch die ZB verfügt über eine gewisse Anzahl von Judaica.

Die Vorstellung über die Zeitpläne gehen noch auseinander, aber auch Edgar Abraham betrachtet die Ziele des Vereins als eine «sehr valable Option». Der ICZ-Vorstand, so Abraham, möchte eigentlich bis Ende Jahr ein Konzept des VJKW sehen, mit finanziellen Zusagen und möglichst einem künftigen Heim für die Bibliothek, die nachhaltig erscheinen. Der Verein, sagt Präsident Charles Lewinsky, möchte sich jedoch bis zum kommenden Frühjahr Zeit dazu lassen. Allerdings: «Wir haben jetzt schon sowohl von Einzelpersonen wie von Stiftungen sehr positive Signale bekommen», sagt er.


Freiburger Nachrichten (Freiburg/ Fribourg, CH), 07. Juni 2013

Religion und Gesellschaft
Verein will die jüdische Bibliothek retten

Zürich In Zürich befindet sich die älteste jüdische Bibliothek im deutschsprachigen Raum. Dabei handelt es sich um einen Kulturschatz von nationaler Bedeutung. Doch die Bibliothek der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich (ICZ) ist wegen Geldmangel gefährdet. Nun haben Schweizer Juden einen Verein gegründet, um das jüdische Kulturgut zu retten. Die Bibliothek wurde 1939 gegründet. Ihr Bestand umfasst über 50 000 Titel rund ums Judentum. Die wertvollsten Stücke stammen aus dem Rabbinerseminar von Breslau, das 1938 von den Nationalsozialisten zerstört wurde.

Prominenter Präsident
Heute fehlen die Mittel zum Erhalt der Bücher. Deshalb haben sich prominente Schweizer Juden zu einem Verein zu deren Rettung zusammengeschlossen. Der Präsident des Vereins ist der Schriftsteller Charles Lewinsky («Melnitz»). Die Bücher und Schriften sollen zudem die Grundlage für ein neues Zentrum für jüdische Geistesgeschichte bilden, sagte Alfred Bodenheimer, Vereinsmitglied und Leiter des Zentrums für Jüdische Studien der Universität Basel. kipa